Geistersprache – lyrisches Schreiben im Deutschunterricht

„Manche Zeitgenossen befremdet die Sprache der Lyrik. Ihnen will nicht einleuchten, warum und wozu es Texte geben sollte, die gänzlich anders geschrieben sind als die gebräuchliche Rede: in Versen, Reimen, in erhöhter Tonlage, mit dunklen Bildern. Dieses Befremden ist nicht grundlos, es entspricht durchaus der bewussten Fremdartigkeit von Lyrik. Sie erstrebt Distanz zu der praktisch brauchbaren Sprache, also auch vom praktischen Dasein. Lyrik lässt sich nicht als zweckmäßiger Beitrag zur Kommunikation der Menschen untereinander verstehen. In der modernen Welt zweifelt niemand daran, dass Gedichte eine menschliche Erfindung sind. Doch zu dieser Erfindung wäre es nicht ohne die Überzeugung der Menschen gekommen, dass Gedichte nicht ihre Erfindung seien. Lyrik galt ihnen als Fremdsprache, als andere Sprache, die jeder lernen musste, der mit Geistern reden wollte. Sie weicht hörbar von der gewöhnlichen Sprache ab, um glaubhaft zu machen, dass sie die Redeweise der Götter getroffen habe. Es gibt zwar keinen Beweis, dass den Menschen die erhoffte Kommunikation mit Geistern je gelungen wäre, an die Stelle des fehlenden Beweises tritt jedoch die ästhetische Überzeugungskraft der Verssprache, deren Zauber suggeriert, sie sei mehr als menschliche Kunst. Wirkt eine Form in sich stimmig, so scheint auch das, was sie mitteilt, zu stimmen.“

Dieses Zitat stammt von dem Germanisten Heinz Schlaffer aus seiner Abhandlung „Geistersprache.  Zweck und Mittel der Lyrik“ aus dem Jahr 2012. Mit diesem Thema befasste sich der Leistungskurs Deutsch der 11. Jahrgangsstufe unter Leitung von Herrn Blum. Es steht ganz im Zeichen der Lehrplaninhalte „Sprache“ und „Kommunikation“ für das erste Kurshalbjahr. Nach der theoretischen Beschäftigung erfolgte ein handlungs- und produktionsorientierter Zugang im Verfassen schülereigener Texte. Entstanden sind Geistergedichte, die zuweilen das Gruseln lehren, das Zauberwort mit einer Klanggabel anstimmen oder mit einer guten Portion Humor einfach zum Schmunzeln einladen.